Heilige ohne (konfessionelle) Grenzen

„Heilige ohne (konfessionelle) Grenzen. Ökumenische Besinnung auf die große Wolke der Zeugen“ war das Thema des 47. Internationalen Ökumenischen Seminars, zu dem das Institut für Ökumenische Forschung im Juli 2013 nach Strasbourg eingeladen hat. Über 60 Teilnehmer aus 25 Ländern und vielen verschiedenen Kirchen trafen sich, um Referentinnen und Referenten aus unterschiedlichen christlichen Traditionen zu Fragen der Heiligen, Märtyrer und Glaubenszeugen zu hören. Trotz der historischen Meinungsverschiedenheiten in der Frage der Heiligen fanden sowohl Referenten wie Teilnehmer eine Reihe von Übereinstimmungen und gemeinsamen Perspektiven. Dies gibt uns die Hoffnung, dass zumindest dieses Thema nicht kirchentrennend sein muss.

dsc_0954aProf. Akma Adam (USA-UK/anglikanisch) begann die Reihe der Vorträge mit einer Studie über die „hagioi“ in der Bibel. Er fand, dass der Ausdruck „die Heiligen“ im Neuen Testament einerseits allgemein für alle Gläubigen in Christus gebraucht wird, er sich andererseits jedoch auch auf beispielhafte Gläubige und Figuren in der Heilsgeschichte bezieht. Prof. Arnold Angenendt (Deutschland/römisch-katholisch) setzte den kirchengeschichtlichen Rahmen, skizzierte grundlegende Aspekte des Verständnisses des/der Heiligen in der Geschichte und berichtete über die Entwicklung des Heiligenkults in der Kirche.

Prof. Klaus Baumann (Deutschland/römisch-katholisch), Priester und Diplompsychologe, untersuchte die Notwendigkeit von Vorbildern im religiösen Leben und ihre Rolle für die Prägung der christlichen Identität und des christlichen Handelns. Zwei weitere Vorträge beschäftigten sich mit Fallstudien von weithin bewunderten Heiligen: Prof. Elisabeth Parmentier (Frankreich/lutherisch) vom Institut sprach über Maria, insbesondere über die ökumenische Konvergenz in ihrem Verständnis wie auch über weiter bestehende Kontroversen im lutherisch/römisch-katholischen Dialog zu diesem Thema. Prof. Stephen Haynes (USA/presbyterianisch) untersuchte die Rezeption Dietrich Bonhoeffers als eines Heiligen bei evangelischen Christen in Amerika und an anderen Orten. 

Das Seminar bot auch Gelegenheit für eine konfessionelle  Behandlung der Frage der Heiligen. Prof. Michael Plekon (USA/orthodox) stellte die Geschichte von Maria Skobtsova, einer sehr unkonventionellen russischen Nonne, die in Paris bei den Armen tätig war und in einem Konzentrationslager in Deutschland gestorben ist, vor und zeigte an ihrem Beispiel, wie eine Heiligsprechung in den Kirchen des Ostens heute vorgenommen wird. Prof. Aimable Musoni (Ruanda-Vatikan/römisch-katholisch) berichtete über die Vorgehensweise der Kongregation für die Angelegenheiten der Heiligen und erläuterte mit seinen Erfahrungen als Konsultor, wie jemand in der Römisch-katholischen Kirche zum Seligen oder Heiligen erklärt wird. Prof. Jeremy Bergen (Kanada/mennonitisch) beschrieb die Rolle, die der Märtyrerspiegel, ein Martyrologium aus dem 17. Jahrhundert,  für die Identität und das Leben der Täufer und Mennoniten spielt. Prof. Theodor Dieter (Deutschland/lutherisch) aus dem Institut rundete diesen Überblick mit einer Erläuterung der reformatorischen Kritik an der Anrufung der Heiligen und der Autorität der Kirche im Kanonisierungsprozess ab und stellte Luthers konstruktive Behandlung der Frage der Heiligen vor. Prof. Sarah Hinlicky Wilson (USA-Frankreich/lutherisch) aus dem Institut führte diese Linie weiter und untersuchte parallele und alternative Formen der Heiligenverehrung im Luthertum und legte Vorschläge für ein evangelisches Verständnis der Heiligen für die Kirchen heute dar. 

Die konfessionellen Perspektiven wurden durch ökumenische Erörterungen des Themas vervollständigt. Prof. Marc Lienhard (Frankreich/lutherisch), der früher am Institut tätig war, erinnerte an das Zeugnis verschiedener katholischer und evangelischer ökumenischer Pioniere. In einem besonderen Abendprogramm erzählte Erzbischof Alfons Nossol (Polen/römisch-katholisch) von seiner aktiven Rolle in der ökumenischen Bewegung und seinen Bemühungen als Brückenbauer zwischen Deutschen und Polen nach dem Zweiten Weltkrieg. Abschließend beschrieb Bruder Guido Dotti (Italien/römisch-katholisch) den Prozess, der zum Martyrologium des ökumenischen Monasterio di Bose führte. Es erinnert an Christen und ehrt Christen, die ihr Leben — über konfessionelle Grenzen hinweg — für Christus gegeben haben.

Außer dem üblichen Sonntagsausflug – in diesem Jahr zum Oberlin-Museum nach Waldersbach und auf den Odilienberg, jeweils Wallfahrtsstätten für Protestanten und Katholiken – hatte die Gruppe Gelegenheit zu einem Besuch im Europäischen Parlament und zu einem Gespräch mit Rainer Wieland, einem der Vize-Präsidenten, über die Herausforderungen der europäischen Einheit und die Hoffnungen für die Rolle der Kirchen als Friedensstifter.

Das diesjährige Sommerseminar beschäftigte sich mit der großen Wolke der Zeugen; der Himmel im Elsass war diesmal jedoch  wolkenlos und bescherte uns jeden Tag Sonnenschein! Nach einem langen und kalten Winter war dies eine besondere Freude und trug zu der sehr guten Atmosphäre des Seminars bei.

Die Vorträge des Seminars können hier als PDF-Dateien heruntergeladen werden.

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