Forschung

Studienprojekte

Ein wesentlicher Auftrag des Instituts lautet, einen Beitrag zur Wahrnehmung der ökumenisch-theologischen Verantwortung der lutherischen Kirchen zu leisten. Das Institut kommt diesem Auftrag u.a. dadurch nach, dass es sich Studienprojekte vornimmt. Bei diesen Studienprojekten handelt es sich um größere Forschungsvorhaben, die auf einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren angelegt sind und nicht von einzelnen Mitgliedern des Forschungsstabes, sondern dem Stab insgesamt verantwortet werden.

Aktuelle Projekte

Die neue ökumenische Unübersichtlichkeit

Die religiöse Landschaft differenziert sich mehr und aus. Megatrends wie Digitalisierung, Globalisierung, Entwicklungen der Postmoderne etc. lassen auch im Bereich der Religion manches in einem neuen Licht erscheinen. Für die Ökumene ist beachtenswert, dass Grenzziehungen oftmals nicht mehr entlang der Konfessionen mit ihrer jeweiligen Lehre erfolgen, sondern konfessionsübergreifend nach anderen, z.B. ästhetischen Kriterien. Die Unübersichtlichkeit der Landschaft in der weltweiten Christenheit wird dadurch komplexer, dass diese Prozesse in unterschiedlichen Kontexten ganz verschieden ablaufen. Diesen Fragen und ihren Folgen für die Ökumene widmet sich das aktuelle Studienprojekt.

Literaturhinweis: J. Wasmuth / St. Dienstbeck / O. Schuegraf: Die neue ökumenische Unübersichtlichkeit, ÖR 70, 2021, S. 126–135.

Abgeschlossene Projekte

Veröffentlichung der Studie „Lutherische Identität. Lutheran Identity“

Die Studie »Lutherische Identität« ist ein Beitrag des Instituts für Ökumenische Forschung in Strasbourg zur weltweiten Selbstverständigung der lutherischen Kirchen. In drei Thesenreihen werden zuerst theologische Grundüberzeugungen der lutherischen Kirchen ...
Dialoge

Wachstum im Dialog

Die bilateralen Dialoge zwischen den christlichen Kirchen wollen auf direkte, jedoch vermittelnde Weise die Unterschiede und Konflikte in der Lehre behandeln, die Trennungen zwischen den Kirchen hervorgerufen haben. Seit den 60er Jahren sind Lutheraner an Dialogen mit anderen Kirchenfamilien beteiligt, z.B. mit Anglikanern, Baptisten, Mennoniten, Methodisten, Orthodoxen, Pfingstlern, Reformierten und Katholiken. Der Stab des Instituts wird vom Lutherischen Weltbund eingeladen, als Berater in diesen Dialogen mitzuwirken. Unser Stab arbeitet an der Vorbereitung und der Rezeption der Dialoge mit, ist an der Abfassung und Revision ökumenischer Texte und der Auswertung von Dialogergebnissen beteiligt.

Themen der Dialoge

Die anglikanischen und lutherischen Kirchen entstanden im 16. Jahrhundert innerhalb der Kirche des Westens. In dieser Zeit war der gegenseitige Austausch und Einfluss groß, wovon auch die Ähnlichkeiten der anglikanischen Neununddreißig Artikel mit der Confessio Augustana zeugen. Der Dialog des 20. und 21. Jahrhunderts versuchte, auf diese bereits bestehenden Ähnlichkeiten in der Theologie, Liturgie und kirchlichen Kultur aufzubauen, um beide Glaubensgemeinschaften in engere Gemeinschaft zu bringen. Seit 1972 besteht ein offizieller Dialog auf internationaler Ebene, der durch eine Anzahl von wichtigen Vereinbarungen zur vollen Gemeinschaft auf regionaler Ebene verstärkt wird. Hier finden Sie Links zu den wichtigsten Texten:

The Pullach Report (1972)

The Helsinki Report (1982)

The Niagara Report (1987)

The Meissen Agreement (1988)

The Porvoo Common Statement (1992)

The Hanover Report (1996)

Called to Common Mission (1999)

The Reuilly Declaration (1999)

Growth in Communion (2000)

The Waterloo Declaration (2001)

Weitere Gelegenheiten zum Dialog auf einer mehr informellen Ebene werden von der Society of Anglican and Lutheran Theologians (SALT) und der Anglican-Lutheran Society geboten.

Im Jahr 1975 begannen der LWB und die Baptist World Alliance Möglichkeiten eines Dialogs zu erforschen. Die daraufhin gebildete Baptist-Lutheran Joint Commission trat zwischen 1986 und 1989 viermal zusammen und erstellte das Dokument Baptists and Lutherans in Conversation: A Message to Our Churches. Seitdem hat kein formeller theologischer Dialog mehr stattgefunden; einige Themen sind im lutherischen-mennonitischen Dialog im Blick auf die Taufe behandelt worden.

Texte

Aus Anlass des 450. Jubiläums des Augsburger Bekenntnisses im Jahr 1980 veranstalteten die Lutheraner eine ökumenische Feier, zu der sie die Mennoniten einluden. Sie hatten damals nicht berücksichtigt, dass die Mennoniten die Erben der Täufer des 16. Jahrhunderts sind, die im Augsburger Bekenntnis mehrfach verurteilt werden. Dieser Fauxpas führte zu nationalen Dialogen zwischen Lutheranern und Mennoniten, zuerst in Frankreich (1981-1984), dann in Deutschland (1989-1992) und schließlich in den USA (2001-2004). Der LWB baute auf diese nationalen Dialoge auf und berief einen internationalen Dialog mit der Mennonitischen Weltkonferenz (Mennonite World Conference) ein.

Obwohl ursprünglich geplant war, die theologischen Unterschiede in den Bereichen der Taufe und des christlichen Engagements in Regierung und Militär zu untersuchen, wurde schnell klar, dass ein ungeklärtes Problem aus der Vergangenheit sich in der Gegenwart aufdrängte: Die Mennoniten erinnerten sich an die lutherische Verfolgung ihrer Vorfahren im 16. Jahrhundert, was die Lutheraner schon längst vergessen hatten. Der Dialog hat dann seine Taktik geändert und sich an ein bisher noch nie dagewesenes ökumenisches Projekt gemacht: das gemeinsame Erzählen der Geschichte ihrer Beziehungen in einer Weise, die für beide Seiten als akkurat angesehen wird. Im Verlauf dieses Projekts entdeckten die Mennoniten, dass die Lutheraner nicht so viele ihrer Vorfahren umgebracht hatten, wie sie angenommen hatten; die Lutheraner kamen zu dem Schluss, dass die 100 getöteten Täufer 100 zu viel waren. Sie mussten auch die Rechtfertigung der Verfolgung durch Luther und Melanchthon klären und waren erleichtert festzustellen, dass ein weiterer lutherischer Reformator, Johannes Brenz, sich deutlich gegen die Verfolgung ausgeprochen hatte.

Als Antwort auf diese historische Entdeckung leiteten die Lutheraner innerhalb des LWB einen Prozess ein, um eine öffentliche Entschuldigung und eine Bitte um Vergebung durch die mennonitische Gemeinschaft vorzubringen. Bei der Vollversammlung des LWB im Jahr 2010 in Stuttgart (Brenz’ Heimatstadt) votierte der LWB einstimmig dafür. Vertreter der Mennonitischen Weltkonferenz waren bereit, ihre und auch Gottes Vergebung auszusprechen. Auch dies war ein noch nie dagewesener ökumenischer Durchbruch. Der Text dieses gemeinsamen historischen Berichts kann hier heruntergeladen werden.

Seit 2010 findet eine dritte ökumenische Innovation statt, da der Mennonitische Weltbund, der LWB und die römisch-katholische Kirche einen Trialog zum Thema Taufe begonnen haben.

Heilung der Erinnerungen - Versöhnung in Christus. Bericht der Internationalen lutherisch-mennonitischen Studienkommission

 

Zwischen 1979 und 1984 trafen sich Vertreter des LWB und des World Methodist Council (WMC) fünfmal zur Ausarbeitung des Dokuments The Church, Community of Grace. Seither gibt es zwischen Lutheranern und Methodisten eine Reihe von regionalen Erklärungen der vollen Gemeinschaft, z.B. in Deutschland, Norwegen, Schweden und den Vereinigten Staaten. Viele methodistische Kirchen haben sich der Gemeinschaft evangelischer Kirchen in Europa angeschlossen, die als eine Initiative der Gemeinschaft zwischen Lutheranern und Reformierten begonnen hatte. Das WMC hat sich bei seiner Vollversammlung im Jahr 2006 in Südkorea der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre angeschlossen, die von Lutheranern und Katholiken 1999 unterzeichnet worden ist.

Die ersten lutherisch-orthodoxen Kontakte entstanden bereits im 16. Jahrhundert durch den Besuch eines rumänisch-orthodoxen Diakons in Wittenberg, wo er sich mit Melanchthon anfreundete. Melanchthon und andere übersetzten das Augsburger Bekenntnis für den ökumenischen Patriarchen ins Griechische, aber der Text kam nie bei ihm an. Einige Jahrzehnte später, in den 1570er Jahren, entstand ein Briefwechsel zwischen den lutherischen Theologen in Tübingen und Jeremias II., dem damaliten Patriarchen von Konstantinopel. Der Ton des Briefwechsels war friedfertig und interessiert, wenn die beiden Seiten auch nicht in der Lage waren, eine gemeinsame Basis zu finden.

Die Orthodoxen traten in die ökumenische Bewegung gleich zu Beginn, in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts, ein. Der Dialog mit den Lutheranern begann jedoch erst viel später. Nach mehreren Jahren gegenseitiger Verhandlungen fand 1981 die erste formelle Sitzung der Gemeinsamen Lutherisch-Orthodoxen Kommission in Espoo, Finnland, statt. Seitdem und neben einer Anzahl von äußerst erfolgreichen regionalen Dialogen tritt die Kommission jedes Jahr zusammen und hat zwölf Stellungnahmen verabschiedet, die Sie hier herunterladen können.

Divine Revelation (3rd Plenary, Allentown 1985)

Scripture and Tradition (4rd, Crete 1987)

The Canon and the Inspiration of the Holy Scripture (5th, Bad Segeberg 1989)

Authority in and of the Church: A. The Ecumenical Councils (7th, Sandbjerg 1993)

Authority in and of the Church: B. Understanding of Salvation in the Light of the Ecumenical Councils (8th, Limassol 1995)

Authority in and of the Church: C. Salvation: Grace, Justification and Synergy (9th, Sigtuna 1998)

The Mystery of the Church A. Word and Sacraments (Mysteria) in the Life of the Church (10th, Damascus 2000)

The Mystery of the Church B. Mysteria/ Sacraments as Means of Salvation (11th, Oslo 2002)

The Mystery of the Church C. Baptism and Chrismation as Sacraments of Initiation into the Church (12th, Durau 2004)

The Mystery of the Church D. The Holy Eucharist in the Life of the Church (13th, Bratislava 2006)

The Mystery of the Church D.2 The Holy Eucharist in the Life of the Church. Preparation, Ecological and Social Implications (14th, Paphos 2008)

The Mystery of the Church E. The Nature, Attributes, and Mission of the Church (15th, Wittenberg 2011)

Prof. Dr. Risto Saarinen von der Theologischen Fakultät der Universität in Helsinki und  früheres Mitglied des Institutsstabes hat fast alle dieser Stellungnahmen sowie viele der Erklärungen regionaler Dialoge auf seiner website veröffentlicht. Er ist auch Autor eines wichtigen Buches zum lutherisch-orthodoxen Dioalog: Faith and Holiness: Lutheran-Orthodox Dialogue 1959-1994 (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1997).

Im Jahr 2004 bereitete das Institut den Weg für Gespräche mit trinitarischen Pfingstlern auf internationaler Ebene. Es folgten sechs Jahre mit Begegnungen in Strasbourg, Pasadena, Tousand Oaks, Zürich und Tampere. Im Jahr 2010 veröffentlichte das Institut zusammen mit dem David Du Plessis Center for Christian Spirituality in Pasadena und der European Pentecostal Charismatic Research Assocation in Zürich das vom Format her weltweit winzigste ökumenische Dokument (das Heft misst 10,80 x 14 cm), Lutherans and Pentecostals in Dialogue. Das Heft soll ein Handbuch für zukünftige Dialoge sein und beschreibt den Dialogprozess der Gruppe, nennt die empfohlenen Ziele, untersucht Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten unter der Rubrik “how we encounter Christ” (“Wie wir Christus begegnen”) (in Verkündigung, Sakramenten/Riten und Charismen) und schließt mit drei langen Artikeln zur Geschichte des Luthertums für Pfingstler und der Geschichte des Pfingstlertums für Lutheraner sowie mit lutherischen Reaktionen auf pfingstlerische und charismatische Bewegungen. Der Text des Dokuments kann hier heruntergeladen werden.

Der Lutherische Weltbund hat die Fortsetzung eines formellen Dialogs mit trinitarischen Pfingstlern auf internationaler Ebene beschlossen.

Lutherans and Pentecostals in Dialogue

Die Beziehung zwischen Lutheranern und Reformierten kann mit Jakob und Esau verglichen werden: ein intensiver Kampf von Geschwisterrivalität. Beide Kirchen entstanden zu fast derselben Zeit und hatten vieles gemeinsam. Aber in zwei oder drei wichtigen Fragen konnten sie sich nicht einigen. Aus der anfänglichen Harmonie wurde Zerrüttung. In den folgenden Jahrhunderten bestimmte eher Politik als Theologie ihre Beziehungen.

Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat es jedoch zwischen Lutheranern und Reformierten mehr Erklärungen von Kirchengemeinschaft gegeben als zwischen anderen christlichen Familien. Die wichtigste Erklärung war in dieser Hinsicht die Leuenberger Konkordie (LK) von 1973. Sie nahm die drei Themen auf, die im 16. Jahrhundert die Kirchen am meisten trennten: die Natur der Gegenwart Christi im Abendmahl, die Christologie und die Prädestination. Die LK erklärte, dass der Glaube der Kirchen heute im Blick auf diese Fragen nicht mehr kirchentrennend und somit volle Kirchengemeinschaft zwischen den beiden Kirchen möglich sei. Seit der Unterzeichnung der LK sind fast 100 europäische Kirchen dieser Gemeinschaft evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) beigetreten. Dazu gehören inzwischen Methodisten, Böhmische Brüder, Waldenser Kirchen und sogar einige lateinamerikanische Kirchen. Auf der Grundlage der LK sind weitere lutherisch-reformierte Abkommen geschlossen worden: z.B. die Formula of Agreement zwischen der Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Amerika, der Presbyterianischen Kirche (USA), der Reformierten Kirche in Amerika und der Unierten Kirche Christi. Seit der Gründung der GEKE arbeiten Lutheraner und Reformierte an Themen von gemeinsamem theologischem Interesse.

Neben der bedeutenden regionalen Arbeit der GEKE führt der LWB einen internationalen Dialog mit der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (einem Zusammenschluss des Reformierten Weltbundes und des Reformierten Ökumenischen Rates).  Die neueste gemeinsame Stellungnahme dieses Dialogs ist das Dokument Communion: On Being the Church.

Weitere Texte von Stabsmitgliedern des Instituts

André Birmelé: Beitrag in der Festschrift für Walter Kardinal Kasper -Zur Ekklesiologie der Leuenberger Kirchengemeinschaft

Als Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils trafen sich Lutheraner und Katholiken 1965 zum ersten Mal hier in Strasbourg in unserem Institut, um über die Möglichkeit eines internationalen Dialogs nachzudenken. In der Zwischenzeit hat einer der produktivsten und weitreichendsten bilateralen Dialoge begonnen. Es ist eine große Anzahl von gemeinsamen Stellungnahmen verabschiedet worden. Der Stab des Instituts war stark beteiligt an der Entwicklung des Konzepts von “Einheit in versöhnter Verschiedenheit” oder dem “differenzierten Konsens”, einer hermeneutischen Theorie, die die Möglichkeit eines gemeinsamen Inhalts hinter und unter verschiedenen Ausdrucksformen anbietet. Auf dieser Grundlage konnten Lutheraner und Katholiken zusammen im Jahr 1999 die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre unterzeichnen.

Das Centro Pro Unione in Rom stellt eine genaue Liste der Sitzungen und Berichte der Lutherisch-katholischen Einheitskommission zur Verfügung. Hier finden Sie eine Auswahl der wichtigsten Links (Texte auf Englisch).

The Gospel and the Church (“The Malta Report), 1972

All Under One Christ (on the 450th anniversary of the Augsburg Confession), 1980

Martin Luther: Witness to Jesus Christ, 1983

Facing Unity, 1984

Church and Justification, 1993

Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre, 1999

The Joint Declaration on the Doctrine of Justification, 1999

The Apostolicity of the Church, 2005

Vom Konflikt zur Gemeinschaft, 2013

Ein weiterer wichtiger Text dieses Dialogs, der in Buchform erhältlich ist:  Lehrverurteilungen kirchentrennend? Tl. 1, Rechtfertigung, Sakramente und Amt im Zeitalter der Reformation und heute. Karl Lehmann und Wolfhart Pannenberg (Hg.), Vandenhoeck & Ruprecht 1988.

Weitere Texte von Stabsmitgliedern des Instituts

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