Abendmahl in Zeiten der Digitalisierung

Das Heilige Abendmahl wird derzeit auch unter der Frage diskutiert, ob und in welcher Weise digitale Feiern stattfinden dürfen und sollen. Am Institut beschäftigt sich Dr. Frank Zeeb, seit Oktober 2020 assoziierter Forschungsprofessor, im Rahmen eines Studienprojektes vor allem mit den exegetischen, systematisch-theologischen und kommunikationstheoretischen Fragen.

Nach CA VII ist es einer der grundlegenden Wesenszüge der Kirche, dass in ihr die „Sakramente gemäß dem Evangelium gereicht werden“. Deshalb lohnt es immer, sich mit dem Heilige Abendmahl zu befassen. Es ist sicherlich auch mehr als Zufall, dass dieses Sakrament gerade in zwei Linien heftig diskutiert wird: Zum einen im evangelisch-katholischen Dialog (angesichts der Frage, ob es möglich ist, dass evangelische und katholische Christen gemeinsam Abendmahl / Eucharistie feiern), zum anderen wird debattiert, ob digitale Abendmahlsfeiern statthaft sind.

Diese Frage bricht in manchen deutschen Landeskirchen seit etlichen Jahren immer wieder auf, wenn einzelne Pfarrpersonen in Fernsehgottesdiensten kleinerer Sendeanstalten oder auf inoffiziellen Kanälen zur häuslichen Teilnahme „vor dem Bildschirm“ einladen. Begründet wird diese Einladung in der Regel damit, dass die Gemeinde vor dem Bildschirm Gemeinde im Vollsinn und die Wirksamkeit des Abendmahls Stiftung Gottes und des Heiligen Geistes ist, der wirkt „wann und wo es Gott gefällt“, also eben potentiell auch auf virtuellen Medien.

Angesichts der wenige Wochen vor der Osterzeit aufgekommenen Pandemie mit ihren Kontakteinschränkungen wurde die Frage in der Passionszeit 2020 höchst aktuell. Viele Menschen forderten massiv ein, dass zur angemessenen Feier der Passion eine Abendmahlsfeier dazugehöre, ein „Abendmahlsfasten“ kam für sie nicht in Frage. Pfarrpersonen erklärten sich nicht selten aus seelsorglichen Gründen bereit, eine digitale Abendmahlsfeier durchzuführen, zuzulassen oder mindestens zu dulden. Nach einer repräsentativen Umfrage der Evangelischen Arbeitsstelle für missionarische Kirchenentwicklung und diakonische Profilbildung (midi) wurde in 12% der Gemeinden digital Abendmahl gefeiert. Die Haltung der offiziellen Verlautbarungen der Kirchenleitungen war uneinheitlich.

Was unter hohem Zeitdruck in der Passionszeit vor einem Jahr aufkam, ist nun theologisch zu bedenken und auszuwerten, um zu einer begründeten Praxis zu gelangen. Verschiedene Fragen scheinen – neben vielen anderen – vorrangig:

  • Was bedeutet in diesem Zusammenhang „stiftungsgemäß“?
  • Gibt es eine Bestimmung von „Notsituationen“, die neue und abweichende Formen rechtfertigen?
  • In welcher Weise ist Christus in Brot und Wein präsent und was bedeutet das für eine digitale Feier?
  • Wie ereignet sich „die Gemeinschaft, die Christus stiftet“, wenn diese an verschiedenen Orten versammelt ist und sich nicht leibhaftig begegnet?
  • Wie kann der Gabecharakter in virtuellen Zusammenhängen gewahrt bleiben?
  • Ist es konstitutiv, dass die Abendmahlsgäste die konsekrierten Elemente empfangen, oder lassen sich die konsekrierenden Worte auf eine „Idee“ von Brot und Wein beziehen, die sich an verschiedenen Orten in dem dort je vorhandenen Brot bzw. Wein gleichsam materialisiert?
  • Unter welchen Umständen kann eine „Selbstkommunion“ statthaft sein?
  • Welche Medien eignen sich ggf. für eine solche Feier, welche nicht?
  • Wie kann die zeitliche Einheit der Feier gewahrt bleiben?
  • Wie kann verhindert werden, dass Abendmahlsfeiern von Personen geleitet werden, die dazu nicht ordnungsgemäß berufen sind?

Nach einer ersten Sichtung der Diskussion und der seither erschienenen Literatur sollten die Fragestellungen unter biblisch-exegetischen, christologischen und kommunikationstheoretischen Aspekten beleuchtet werden. Eine sorgsame und abwägende Debatte scheint hier, am Kern der Ekklesiologie dringend angebracht, bevor vorschnell Fakten und Rechtsnormen geschaffen werden, die womöglich theologisch bedenklich sind.

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