Nichtkonfessionelle und transkonfessionelle Bewegungen

48. Internationales Ökumenisches Seminar vom 2.-9. Juli 2014

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Mitglieder der historischen christlichen Kirchen sind oft verwirrt von dem neuen Gesicht, das das Christentum rings um sie herum annimmt. Völlig unabhängige Gemeinden, die sich in Lagerhallen treffen, verzeichnen plötzlich zehnmal so viele Besucher wöchentlich als die lang etablierten Gemeinden in ihren wunderschönen alten Kirchen. Die Säkularisierung Europas und Nordamerikas scheint das Verkümmern des Christentums zu bedeuten, während gleichzeitig die Immigration aus anderen Teilen der Welt eine lebhafte Erneuerung an eben jenen Orten mit sich bringt. Konfessionelle und strukturelle Grenzen gehören noch immer zu den wichtigsten Gesprächsthemen zwischen Katholiken, Orthodoxen und Protestanten mit Ursprung in der Reformationszeit. Jedoch scheinen die sonst nicht miteinander verbundenen Evangelikalen und Pentekostalen problemlos Altar und Kanzel teilen zu können.

Das diesjährige Seminar hat es sich zum Ziel gesetzt, die verwirrende Landschaft des Christentums des 21. Jahrhunderts besser zu verstehen. André Birmelé vom Institut für Ökumenische Forschung eröffnete die Diskussion mit einer Übersicht über die Landschaft und ihren Einfluss auf die Ökumene in den letzten 50 Jahren. Von da aus gingen wir zu einem der umstrittensten Phänomene unter den neueren christlichen Bewegungen über, dem „Prosperity Gospel“. Kate Bowler, eine Kirchenhistorikerin an der Duke Divinity School in den USA, beschrieb die Geschichte der Bewegung, ihre bekanntesten Verfechter und ihre grundlegenden Glaubensaussagen, wobei ihre kritische Sicht gleichzeitig zu verstehen half, warum „Prosperity“ so erfolgreich ist. Vor hier aus richtete sich unser Blick auf die evangelikale Welt, die aus Konfessionen, Netzwerken und Gemeinden besteht, die sich auf das reformatorische Erbe berufen, ohne formell zu den historischen konfessionellen Kirchen zu gehören und die großen Wert auf persönliche Erneuerung und Evangelisierung legen. Timothy George, Dekan der Beeson Divinity School in den USA, veranschaulichte die amerikanische Szene mit besonderer Berücksichtigung der ökumenischen Initiative „Evangelicals and Catholics Together“, die historische Gegner in Gesprächen und gemeinsamen Aktionen vereint. Thomas Schirrmacher, Rektor des Martin Bucer Seminars in Bonn und Professor an der Freien Theologischen Hochschule Gießen in Deutschland, vermittelte eine sehr umfassende Sicht der evangelikalen Bewegung und ihrer komplexen Wechselbeziehungen zur Ökumene. Prof. Dr. Wolfgang Thönissen, Leitender Direktor vom Johann-Adam-Möhler-Institut in Paderborn, rundete die Diskussion durch eine Beschreibung ab, wie die römisch-katholische Kirche die Evangelikalen, Pentekostalen und andere neue christliche Bewegungen sieht und sich dazu verhält. Von dem Entfernten und Allgemeinen richteten wir dann den Fokus auf das Lokale. Drei Vertreter von lokalen Migrantenkirchen in Strasbourg beschrieben die Situationen ihrer Migrantengemeinden, die ihren Glauben und ihre Praxis mitgebracht haben und eine Vielfalt von Beziehungen zu den Kirchen um sie herum pflegen. Vasile Iorgolescu sprach über die rumänisch-orthodoxen Christen in Strasbourg und ihr Verhältnis zu anderen Orthodoxen und anderen Christen. Bio Terrence informierte uns über die Vielfalt pentekostaler Gruppen aus Westafrika in der Stadt. Zaka Habberstad beschrieb die verschiedenen madagassischen Gemeinden, die von lutherischen, zu reformierten, unierten und anglikanischen Gruppen reichen. Die nächste Vortragsreihe behandelte transkonfessionelle Erneuerungsbemühungen. Andy Buckler, reformierter Pfarrer in Frankreich, erklärte die Bewegung der „Fresh Expressions“ in der Kirche von England, die zu einer größeren Vielfalt von Gottesdienstformen und Liturgien geführt hat. Adam Strojny stellte die Kommunität des Chemin Neuf vor, der er selbst angehört. Es handelt sich dabei um eine weitgehend römisch-katholische Bewegung, die die Betonung auf die Beteiligung von Laien und charismatische Erneuerung legt und sich für die Ökumene einsetzt. Pastor Friedrich Degenhardt beschrieb die Bemühungen lutherischer Gemeinden in Hamburg, Freundschaften mit afrikanischen Pentekostalen herzustellen, um gemeinsam den Gottesdienst zu erneuern. Hubert van Beek präsentierte dann das Global Christian Forum, dessen früherer Sekretär er war. Das Global Christian Forum fördert auf einer breiteren Ebene Freundschaften und Gespräche zwischen Kirchen, die schon seit langem in der ökumenischen Bewegung engagiert sind, und neu dazu gekommenen Gruppen, wie den Evangelikalen und Pentekostalen. Den Abschluss des Seminars bildeten zwei Vorträge, die viele Themen der Woche zusammenfassten. Jean-Daniel Plüss, ein leitender pentekostaler Theologe und Ökumeniker aus der Schweiz, behandelte den Platz der Pentekostalen in der ökumenischen Bewegung von ihrem anfangs leidenschaftlichen Engagement für die Einheit zu ihrem Eintritt in bi- und multilaterale Dialoge seit einiger Zeit. Ephraim Radner, Professor am Wycliffe College in Kanada, schloss das Seminar mit einer Reflexion darüber ab, wie alle christliche Kirchen trotz ihrer Trennungen gemeinsam einander und dem Evangelium gegenüber rechenschaftspflichtig sein können. Wie bei jedem Seminar gab es reichlich Gelegenheit zu Gruppendiskussionen und Fragen an die Referenten. Beim Sonntagsausflug besuchten wir bekannte Orte im Elsass, wie Colmar und den Isenheimer Altar. Eine Besonderheit in diesem Gedenkjahr des 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges war der Besuch des Schlachtfeldes Col du Linge und des Museums „Mémorial du Linge“ an einem landschaftlich schönen Ort mit schrecklicher Geschichte. Einige der Vorträge des diesjährigen Seminars können Sie herunterladen (s. unten). Sie können bereits jetzt Ihre Teilnahme am nächsten Seminar planen, das das Thema Ökumene in der Kunst behandeln wird.

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André Birmelé: Einleitung / Introduction (auf Deutsch und Französisch)

Kate Bowler: A History of the Prosperity Gospel

Timothy George: American Evangelicals and Christian Unity_ The Case of ECT

Thomas Schirrmacher: Evangelikale und die weltweite Ökumene

Wolfgang Thönissen: Evangelikale, Pfingstler und neuentstehende christliche Gemeinschaften in katholischer Perspektive

Vasile Iorgulescu: Die rumänisch-orthodoxe Kirche in Strasbourg

Bio Terrence: Westafrikanisches Pfingstlertum in Strasbourg

Zaka Habberstad: Madagassische Gemeinden in Strasbourg

Andy Buckler: „Fresh Expressions“ and the Church of England

Adam Strojny: The Charismatic Movement and the Ecumenical Community of the Chemin Neuf

Friedrich Degenhardt: Präsentation Degenhardt Straßburg 2014

Hubert van Beek: The Global Christian Forum

Jean-Daniel Plüss: Pentecostalism and Ecumenism of the Spirit

Ephraim Radner: Historic Churches and New Christian Communities_ Looking for Ecclesial Accountability in a Changing Religious Landscape

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