Studying Luther in Wittenberg 2014

[singlepic id=367 w=320 h=240 float=left]Vom 8. – 22. November 2014 leiteten die Professoren Theodor Dieter und Sarah Wilson das 10. Seminar zu Luthers Theologie im LWB-Zentrum in Wittenberg. Die 20 Teilnehmer kamen aus allen Gegenden der Welt; sie vertraten Australien, Botswana, China, Dänemark, Deutschland, Estland, Gambia, Ghana, Indonesien, Kanada, Kenia, Kolumbien, Myanmar, Nigeria, Südafrika, Taiwan und die Vereinigten Staaten.

In der ersten Woche begannen wir wie immer mit einem intensiven Studium von Luthers grundlegenden Lehren vom Evangelium und von der Rechtfertigung und ihren Implikationen für die Verkündigung und die Sakramente. Gemeinsam bearbeiteten wir sorgfältig die 95 Thesen „Zur Klärung der Kraft der Ablässe“, den „Sermon über die zweifache Gerechtigkeit“, die Thesen aus dem Jahre 1518 „Zur Erforschung der Wahrheit und zur Tröstung der erschreckten Gewissen“;„Ein kleiner Unterricht, was man in den Evangelien suchen und erwarten soll“; Ausschnitte aus der „Babylonischen Gefangenschaft der Kirche“, dem Großen Katechismus und Luthers Brief „Über die Wiedertaufe an zwei Pfarrherrn“.

In der zweiten Woche beschäftigten wir uns mit dem besonderen Thema dieses Jahres, „Der Christ und der Staat. Luthers Verständnis der weltlichen Obrigkeit “. Da in den letzten 500 Jahren enorme politische Veränderungen stattgefunden haben, war es notwendig, die Schriften Luthers noch stärker als sonst in ihrem historischen Kontext zu betrachten. Von da ausgehend behandelten wir seine Abhandlungen „Von weltlicher Obrigkeit“ (1523), „Vermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben (1525), „Ob Kriegsleute auch in seligem Stand sein können“  (1526), „Vom Krieg gegen die Türken“ (1529). Luther diskutiert intensiv die Spannung zwischen der Forderung Jesu in der Bergpredigt, dem Bösen nicht zu widerstehen (Matthäus 5,29) und der von Gott gegebenen Aufgabe der staatlichen Instanzen, dem Bösen notfalls mit Gewalt zu wehren („Schwert“) (Röm 13,1-7), und er sucht eine Lösung, indem er verschiedene Unterscheidungen einführt: die Unterscheidung zwischen zwei Gruppen von Menschen, den wahrhaft Glaubenden, die eine Obrigkeit nicht brauchen, und den Nicht-Glaubenden, die durch staatliche Autorität davor geschützt werden müssen, einander zu schaden; die zwischen einer Tätigkeit des Christen für sich selbst oder in einem Amt für andere – in beiden Fällen kann die Liebe unterschiedliche Gestalt annehmen (das Unrecht ertragen – dem Unrecht wehren); die Unterscheidung zwischen zwei Regierweisen Gottes, der weltlichen, die den Leib und die weltlichen Dinge betrifft, und der geistlichen, die die Seele (= den Menschen in seiner Beziehung zu Gott) betrifft. Luther begründet sowohl den Gehorsam gegenüber der „Obrigkeit“ wie auch dessen Grenzen, so dass er eine theologische Begründung für gewaltfreien Widerstand und für das Recht auf Religionsfreiheit liefert, auch wenn Luther das später im Umgang mit den Täufern nicht anwendet. Luther erörtert die Bedingungen für einen gerechtfertigten Krieg und die Bedingungen, unter denen der Kriegsdienst verweigert werden muss. Der Krieg gegen die Türken darf in keinem Fall als Krieg zur Verteidigung des Christentums geführt werden; er ist ein Krieg des Kaisers und der Fürsten zur Verteidigung der Untertanen, wie er auch gegen andere Feinde, die seine Untertanen schädigen, geführt werden müsste. Anschließend wurden die Unterschiede zwischen dem frühneuzeitlichen Staat und dem demokratischen Verfassungsstaat untersucht und nach der Bedeutung der Einsichten Luthers für den heutigen Umgang des Christen mit der politischen Welt gefragt. Der demokratische Verfassungsstaat nimmt die Einsicht in die Sündhaftigkeit des Menschen ernst (vergleiche Thomas Hobbes: „homo hominilupus/ der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“), wenn er nicht nur die Untertanen als potentielle Wölfe ansieht, sondern auch den Herrscher, der umso gefährlicher ist, je mehr Macht ihm zukommt. Damit der Herrscher nicht der schlimmste Wolf ist, wird die Macht geteilt; es gibt im demokratischen Verfassungsstatt keinen Souverän mit unbegrenzter Macht, sondern nur Instanzen mit begrenzten Kompetenzen.

Neben dem intensiven Studium machten den Teilnehmern auch Besuche im Lutherhaus und im Melanchthonhaus sowie Ausflüge nach Torgau, Erfurt, Eisenach, zur Wartburg und zu Gemeinden vor Ort große Freude. Es war etwas ganz Besonderes in diesem Jahr, dass das Seminar zeitgleich mit dem 25. Gedenktag zum Fall der Berliner Mauer stattfand, so dass die Gruppe am ersten Wochenende des Seminars an den Veranstaltungen anlässlich dieses Ereignisses im nahe gelegenen Berlin teilnehmen konnte. Jeder Tag schloss mit einem köstlichen Essen ab, das von den Teilnehmenden selbst vorbereitet wurde, so dass wir uns auf eine Art kulinarische Weltreise begaben. Das tägliche Morgengebet und die festlichen Abendessen ließen uns zu einer christlichen Gemeinschaft zusammenwachsen als Vorgeschmack der vor dem himmlischen Thron versammelten Nationen.

Das Thema des Seminars im November des nächsten Jahres wird sein: „Der dreieinige Gott, Vater. Sohn und Heiliger Geist in Luthers Theologie“. Für weitere Informationen siehe: www.lwb-zentrum-wittenberg.

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