Seminar 2018: Fundamentalismus als ökumenische Herausforderung

„Fundamentalismus als ökumenische Herausforderung“ – das Thema des diesjährigen Sommerseminars des Instituts für Ökumenische Forschung führte mehr als 50 Theologen und Theologinnen aus der ganzen Welt und aus verschiedenen Kirchen vom 2. bis 9. Juli 2018 nach Strasbourg. Das Seminar fand in dem zentral gelegenen Séminaire Protestant statt, das den geeigneten Rahmen für eine reiche Woche an inhaltlichen Auseinandersetzungen und persönlichen Begegnungen bot. Dank vorzüglicher Vorträge im Plenum und eines intensiven Austausches in jeweils parallel laufenden kleineren Arbeitsgruppen bestand für die Teilnehmer und Teilnehmerinnen die Möglichkeit, sich das Thema in seiner ganzen Vielfalt zu erschließen.

Den Anfang machten zwei aus den USA stammende Forscher: Prof. Dr. R. Scott Appleby (Chicago), der maßgeblich an dem bedeutenden sog. „Fundamentalismus-Projekt“ der Amerikanischen Akademie der Künste und Wissenschaften mitgewirkt hatte, stellte im Zuge begrifflicher Klärungen eine Definition von „Fundamentalismus“ vor, die durch ihr breites empirisches Fundament und die präzise benannten Kriterien im Unterschied zu dem oft anzutreffenden pauschalen und polemischen Gebrauch überzeugte. Prof. Dr. Mark Granquist (Minnesota) vertiefte die terminologischen Reflexionen sodann durch eine Darstellung der Geschichte des Fundamentalismus in den USA.

Regionale Schwerpunkte setzten die Vorträge von Bischof Dr. Ndanganeni Phaswana (Johannesburg) und Privatdozentin Dr. Gisa Bauer (Leipzig), die fundamentalistische Tendenzen in Afrika bzw. Europa thematisierten.

Inwieweit solche Tendenzen in unterschiedlichen Konfessionen wie auch Religionen begegnen, führten anschaulich die Vorträge der Theologin Privatdozentin Dr. Sonja Angelika Strube (Osnabrück) über „Fundamentalistische Strömungen im katholischen Glaubensspektrum“ und des Religionswissenschaftlers Prof. Dr. Vasilios Makrides (Erfurt) über „Rigorismus/Fundamentalismus im Orthodoxen Christentum“ sowie die Vorträge des Islamwissenschaftlers Dr. Ghasan El Masri (Berlin) über „Exegtische Zugänge zum Koran“ und des in Syrien lebenden Archimandriten Dr. Alexi Chehadeh (Damaskus) über „Ist der Dialog mit Islamisten möglich?“ vor Augen.

Da fundamentalistische Tendenzen zwar nicht immer, jedoch oft mit einem bestimmten Schriftverständnis einhergehen, war eine eigene Einheit des Seminars verschiedenen Auslegungstraditionen gewidmet. Die beiden französischen Theologen Prof. Dr. Christian Grappe (Strasbourg) und Prof. Dr. David Bouillon hielten dazu aufschlussreiche Vorträge.

Am Ende des Seminars war sehr viel deutlicher als am Beginn, was sinnvollerweise als „Fundamentalismus“ zu bezeichnen ist und inwiefern darin eine eklatante ökumenische Herausforderung liegt. Wie damit allerdings umzugehen ist, das blieb eine weitgehend offene Frage. Das Institut für Ökumenische Forschung in Strasbourg wird sich in Zukunft deshalb eingehender mit dieser Frage befassen.

Über die inhaltlichen Impulse hinaus bot das Seminar auch wieder die Gelegenheit, Strasbourg und die Umgebung kennenzulernen. Ein wichtiges Element im Tagesablauf waren die Andachten in der nahegelegenen Kirche St. Thomas und zum Abschluss der gemeinsame Abendmahlsgottesdienst in der ehrwürdigen Kirche St. Pierre-le-Jeune.

Hier können Sie Reaktionen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern lesen:

„Meinungsaustausch und Weitergeben von Forschungsergebnissen, ohne auf der eigenen Meinung zu beharren oder die Meinung anderer abzulehnen. Das Zugeständnis, dass wir alle in bestimmten Situationen fundamentalistische Tendenzen haben. Die Definition des Ausdrucks ‚Fundamentalismus‘ ist problematisch, da sie eine richtige Meinung im Gegensatz zu einer anderen, falschen voraussetzt. In Wirklichkeit verweist der Ausdruck auf eine Grundlage, auf die man nicht verzichten kann, wie beim Legen eines Fundaments für ein Haus oder ein Gebäude. Die gewalttätigen Handlungen von Fundamentalisten sollten uns nicht von der positiven Bedeutung des Ausdrucks ablenken.“ (Bischof Ndanganeni Phaswana, Südafrika)

„Als pentekostalem Wissenschaftler und Pfarrer, der mit afrikanischen Migranten arbeitet, half mir das Seminar dazu, meine Identität wahrzunehmen, wenn ich/wir mit anderen im Werk des Glaubens zusammenarbeite/n.“ (Dr. Joseph Bosco Bangura, Sierra Leone)

„Ich bin sehr dankbar, dass ich am Seminar teilnehmen konnte. Es war für mich das erste Mal, und ich bin sicher, dass ich mit vielen Gedankenanstößen nach Hause zurückkehren werde. Es war ein großes Privileg, so viele verschiedene und interessante Menschen zu treffen und ihre Meinungen und Gedanken zu hören. Es war auch eine große Freude, an den täglichen Andachten teilzunehmen. Ich wünsche dem Institut alles Gute für seine Arbeit.“ (Theodora Mavridou, Griechenland)

„Ein wunderbar anregendes Seminar mit vielen schönen Begegnungen. Die Fülle der Referate ist außerordentlich bereichernd.“ (Pfarrer P. Fahr, Deutschland)

„Selten habe ich in einer Seminarwoche so vielfältige qualifizierte Vorträge in Verbindung mit vertiefenden Gesprächen der international gemischten Arbeitsgruppen in großer Dichte erlebt. Die Möglichkeit einer Lerngemeinschaft von Referent*innen und Teilnehmenden ist eine wertvolle Besonderheit des Seminars in Strasbourg. Und vom elsässischen Essen brauche ich wohl nichts zu erzählen. Danke!“ (Pfarrer Stephan Mühlich, Deutschland)

„Beim Sommerseminar wird ein Thema intensiv wissenschaftlich durchleuchtet. Die Vorträge werden von Wissenschaftlern gehalten, die teilweise auch sehr erfolgreiche Praktiker sind. Es ist eine Gelegenheit, die anderen Seminarteilnehmer kennen zu lernen, die eigene Erfahrungen und Fragestelllungen mitbringen. Eine Woche, die Gedankenanstöße für ein ganzes Jahr gibt. Tausend Dank!“ (Tabea Baader, Deutschland)

„Das Seminar hinterlässt bei mir viele offene Fragen, über die ich noch nachdenken muss, auch wenn ich Strasbourg verlassen habe. Antworten finden auf die Frage, warum der Fundamentalismus eine Herausforderung und auch eine Gelegenheit für die Ökumene darstellt; warum der Ausdruck negativ klingt, obwohl die Bedeutung positiv ist. Die Referate waren ausgezeichnet, ebenso der Tagesablauf und das Freizeitprogramm, die freundlichen Menschen, denen wir während unseres Aufenthalts in Strasbourg begegnet sind.“ (Jenny Purba, Indonesien)

„Hilfreich – freundlich – anregend – gut begleitet und wohl verpflegt – das ökumenische Seminar in Strasbourg ist/war ‚great again‘.“ (Pastor Ulrich Heinzelmann, Deutschland)

„Was für ein großartiges Privileg, am 52. Internationalen Ökumenischen Seminar teilnehmen zu dürfen. Es war intellektuell anspruchsvoll, theologisch herausfordernd, pastoral und missionarisch. Das Seminar war sehr bereichernd. Danke!“ (Bischof J. Priestly Balasingh, Indien)

„Interkulturell, konstruktiv, produktiv. Die Begrifflichkeit war sehr erhellend bezüglich des Themas. Insbesondere die Breite bei den Vorträgen hat verschiedene Aspekte des Themas erschlossen.“ (Stefan Dienstbeck, Deutschland)

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Fotos: Elke Leypold

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