Mit dem Seminar „Studying Ecumenism in Strasbourg“ (2.-12. Oktober 2019) hat das Institut für Ökumenische Forschung in Strasbourg ein neues Seminarformat realisiert. Anders als beim Internationalen Ökumenischen Sommerseminar, das in jedem Jahr im Juli stattfindet, werden zu diesen Seminaren nur lutherische Pfarrerinnen und Pfarrer aus den Mitgliedskirchen des Lutherischen Weltbunds (LWB) eingeladen. Ziel dieser Seminare ist es, Fragestellungen, Ergebnisse und Herausforderungen der Dialoge, die der Lutherische Weltbund mit anderen Kirchen und Kirchengemeinschaften in den letzten 50 Jahren geführt hat und weiterhin führt, möglichst vielen Menschen in den Mitgliedskirchen bekannt zu machen und in ihnen ein ökumenisches Feuer für die Einheit der Kirche zu entzünden. Umgekehrt geht es für das Forschungskollegium des Instituts für Ökumenische Forschung darum, eine möglichst breite Kenntnis der ökumenischen Konstellationen in den Ländern der LWB-Mitgliedskirchen zu gewinnen. So soll dazu beigetragen werden, die Selbstverpflichtung des LWB „Lutherisch sein heißt ökumenisch sein“ zu erfüllen.
Die 12 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am diesjährigen Seminar kamen aus Estland, Finnland, Kamerun, Lettland den Niederlanden, Polen, Rumänien, Russland, Slowakei, Tansania. Einem Pfarrer aus Liberia wurde das Visum verweigert; ein Pfarrer aus Japan wurde krank. Das Format des Seminars: eine begrenzte Zahl von Teilnehmenden, eine relativ lange Zeit des Seminars, ein klar definiertes Thema und genügend freie Zeit für gemeinsame Unternehmungen oder auch private Studien – das hat eine intensive, inspirierende Atmosphäre der Begegnung und des Lernens geschaffen – eine konkrete Form, die Gemeinschaft im LWB zu vertiefen.
Die Vormittage der Seminartage galten der Einführung in die ökumenische Bewegung und in die Dialoge und insbesondere dem Studium ökumenischer Texte. An den Nachmittagen wurden die Themen des Vormittags in freier Form vertieft, und die Teilnehmenden berichteten von der jeweiligen ökumenischen Situation in ihren Ländern, wodurch ein buntes Bild der weltweiten ökumenischen Lage entstand. Themen waren: der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK), Vatikanum II, die Leuenberger Konkordie, Modelle der Einheit der Kirche, der katholisch/lutherische Dialog über das Herrenmahl, „Apostolizität der Kirche“, die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“, die Methode des differenzierenden Konsenses, der lutherisch/orthodoxe Dialog, die Geschichte der pentekostalen Bewegungen und ihre Herausforderung für die Ökumene, der anglikanisch/lutherische Dialog, die lutherisch/mennonitische Versöhnung, das Konzept des „Receptive Ecumenism“. Es hat sich als großer Vorteil erwiesen, dass Mitglieder des Forschungskollegiums des Instituts an vielen Dialogen, die im Seminar erörtert wurden, teilgenommen haben und von ihren Erfahrungen mit diesen Dialogen berichten konnten, so dass die Texte lebendig wurden.
Strasbourg mit seiner reichen Geschichte (in der Reformationszeit findet man hier alle Strömungen, die in jener Zeit von Bedeutung waren, auf kleinem Raum versammelt) und seiner Weltoffenheit ist ein idealer Platz für ein solches Seminar. Der Samstagnachmittag in der Mitte des Seminars galt dem Kennenlernen der Stadt mit einer Führung durch das wunderbare katholische Münster und die lutherische Thomaskirche. Am Sonntag gab es einen Ausflug ins Elsass, die Landschaft um Strasbourg, mit einem selbst gestalteten Abendmahlsgottesdienst in der alten Kirche in Waldersbach, in der Pfarrer Johann Friedrich Oberlin (1740-1826) 59 Jahre gepredigt hat. Das phänomenale Wirken dieses Pfarrers in einem abgelegenen, schwer zugänglichen Gebiet – er war Pietist, Aufklärer, Bildungsreformer (Erfinder der Vorschulerziehung, Entwicklung des Schulwesens, Sprachunterricht für Erwachsene, Lehrerfortbildung), Wirtschaftsförderer (Verbesserung der Landwirtschaft, Straßenbau, Einrichtung einer Darlehenskasse), er praktizierte Physiognomie, war Seelsorger und eifriger Prediger und stand im Austausch mit vielen großen Persönlichkeiten seiner Zeit – wird in einem modernen Museum, zu dem das Pfarrhaus umgebaut wurde, präsentiert. Nach dem Mittagessen in einem Landgasthof im Gebirge folgte ein Besuch des Unterlindenmuseums in Colmar, das den weltberühmten Isenheimer Altar mit dem Kreuzigungsbild von Matthias Grünewald beherbergt. Zu den verschiedenen Tafeln dieses Altars gab es eine Führung, die die künstlerischen, theologischen und geistlichen Dimensionen dieses einzigartigen Kunstwerks erschloss.
Die Fondation oecuménique Oscar Cullmann, die Württembergische Landeskirche und das Deutsche Nationalkomitee haben das Seminar in großzügiger Weise finanziell unterstützt. Herzlichen Dank dafür!
Die Reaktionen der Teilnehmenden auf das Seminar waren durchweg sehr positiv. So ist zu hoffen, dass von diesem Seminar viele Impulse für die ökumenische Arbeit in den betreffenden Kirchen ausgehen.
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