Im November fand das 12. Seminar des LWB-Luther Zentrums “Studying Luther in Wittenberg” statt. Es war gleichzeitig das siebte Seminar, das von den Professoren Theodor Dieter und Sarah Hinlicky Wilson vom Strasbourger Institut geleitet wurde. Es nahmen zwanzig Personen aus 5 Kontinenten und 17 Ländern daran teil. Sie kamen aus Argentinien, Kanada, Dänemark, Äthiopien, Deutschland, Guyana, Hongkong, Lettland, Madagaskar, Myanmar, Polen, Senegal, Serbien, Südafrika, Tansania und den Vereinigten Staaten.
Das Thema war in diesem Jahr Luthers Lehre von der heiligen Trinität. In der ersten Woche wurden nach einem Überblick über den mittelalterlichen Hintergrund der Reformation die grundlegenden Texte von Luthers reformatorischer Theologie behandelt: die 95 Thesen zum Ablass und die weniger bekannten „Thesen zur Vergebung der Sünden“ von 1518, „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, der „Sermon über die zweifache Gerechtigkeit“, „Ein kleiner Unterricht, was man in den Evangelien suchen und erwarten soll“ und als Zusammenfassung Luthers Lied „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ sowie Luthers Wappen, die Lutherrose. Die Texte stellten eine solide Grundlage dar für das rechte Verständnis der Rechtfertigungslehre und der Gerechtigkeit, die uns zuerst in Christus geschenkt wird, bevor sie dann zu einem Tun der gerechtfertigten Person selbst führt. Wir überprüften auch, wie die Rechtfertigungslehre Luthers Taufpraxis einschließlich der Kindertaufe beeinflusst hat. In den Nachmittagssitzungen wurde in Gruppen erörtert, was die Themen von Luthers Theologie für die unterschiedlichen Kontexte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu bedeuten haben.
In der zweiten Woche wurde das Thema „Der dreieinige Gott“ ausführlicher behandelt, obwohl bereits in der ersten Woche klar wurde, wie tief das trinitarische Denken mit der ganzen Theologie Luthers verflochten ist. Die behandelten Texte waren Luthers Erläuterungen im Großen Katechismus zum Ersten Gebot und zum Glaubensbekenntnis, eine Predigt zu Johannes 14, „Die Letzten Worte Davids“, „Die drei Symbola“ und mehrere Kirchenlieder Luthers:„Gelobet seist du, Jesu Christ“, „Wir glauben all an einen Gott“ und „Nun freut euch,liebe Christengmein“. Luthers übernimmt die Trinitätslehre von der frühen Kirche und stellt sie nicht in Frage oder weicht von ihr ab, wohl aber besteht er darauf, dass die Trinität „für uns“ ist und dass dieses Wissen wesentlich zum Wissen von der Trinität gehört.
Außer den zahlreichen Stunden des Studiums und der Diskussion hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit, die Stadt Wittenberg, ihre Probleme und Ressourcen kennen zu lernen, etwa beim Besuch des Bürgermeisters. Der Vertreter der Bischöfin für Reformation und Ökumene, Siegried Kasparick, berichtete über die Vorbereitungen für 2017; Ralston Deffenbaugh aus Genf stellte die Arbeit des Lutherischen Weltbunds vor. An einem Nachmittag und Abend fuhren die Teilnehmenden in Kirchengemeinden außerhalb von Wittenberg zum Abendgebet und zum Austausch. Am Wochenende standen Besuche in Erfurt, Eisenach, auf der Wartburg und in Torgau sowie Gottesdienste in der Schlosskirche und der Stadtkirche auf dem Programm. Die Abendessen wurden von Teilnehmern nach Rezepten aus ihren Ländern zubereitet; diese kulinarische Weltreise hat jeden Abend aufs Neue Begeisterung hervorgerufen. Am letzten Abend genossen alle ein Festessen mit Gerichten aus Luthers Zeit, serviert von Hans Kasch und Annette Glaubig, die als Knecht und Magd aus jener Zeit gekleidet waren und ihr schauspielerisches Talent unter Beweis stellten – noch einmal ein Höhepunkt am letzten Abend.
Wie jedes Jahr war das Seminar auch dieses Mal wieder eine bereichernde Erfahrung für alle Teilnehmenden, ein wichtiger Beitrag zur theologischen Fortbildung und zur Vertiefung der weltweiten lutherischen Gemeinschaft. Wie ein Teilnehmer sagte, indem er Luther zitierte, war es ein „joyful exchange“ (ein fröhlicher Austausch). Pastoren und Theologiestudenten aus allen LWB-Mitgliedskirchen können sich für zukünftige Seminare bewerben. Wer nicht persönlich teilnehmen kann, kann sich an der Luther Reading Challenge des Instituts beteiligen.